Trainer-Rituale: Heilige Kühe? (Teil 1)
Trainersünden zwischen Glauben und Gedankenlosigkeit
Hermann Will |
Foto: Franz WILL
Bei manchen Trainings haben sich Methoden und Strategien verselbständigt. Wie „Heilige Kühe“ scheinen diese Routinen unantastbar. Gelegentlich sind sie sinnvoll – aber immer und überall? Für uns sind das Trainersünden – lässliche und schwere. Wir fahnden nach ihnen und fragen: Muß man sie büßen? Kann man sie schlachten?.
Auf den ersten Blick scheinen manche Trainingsrituale harmlos. Aber sie fressen Zeit, verhindern lebendigen Unterricht und unterschwellig signalisieren sie „Schulung wie immer“. Wenn Trainings Neugier für „Neues“ wecken sollen, dann ist diese (unausgesprochene) Botschaft kontraproduktiv.
„Kann ich mir eh‘ nicht merken!“: Vorstellrunden
Üblich: Jeder sagt der Reihe nach seinen Spruch (oder erzählt seine Story). Keiner hört hin und jeder überlegt, was er sagt, wenn er an die Reihe kommt. Nichts bleibt hängen, die Runde kostet Zeit und nimmt Energie. Echtes „Kennenlernen“ sieht anders aus!
ALTERNATIVEN
- Kennenlernen in kleinen Gruppen mit Leitfragen ‒ mit Themenbezug
- Schnelle soziometrische Aufstellung im Raum mit Kurzinterviews
- Bewegung im Raum mit kurzen Vier-Augen-Gesprächen: Begrüßung und Vorstellung
- Kennenlernen gekoppelt an Gruppenarbeiten mit wechselnder Zusammensetzung
- Eine Sammel-Pinnwand mit persönlichen Kurzangaben (Wer, was, …) steht dauerhaft im Raum. Ausgefüllt wird das gleich nach dem Hereinkommen. Wahlweise: A3-Steckbriefe von jedem.
„Fang‘ endlich an!“: Icebreaker
Warum „Warming-up“ zu Beginn, wenn niemand friert? Viele Teilnehmer verzichten gerne auf Anwärm-“Spiele“ und kommen lieber zügig zur Sache. Langes, inhaltsneutrales „Anwärmen“ verzögert für sie den „echten“ Start und schwächt den Spannungsbogen.
ALTERNATIVEN
- Kurze inhaltsbezogene „Mini-Konferenzen: „Was habe ich mit diesem Thema am Hut?“
- Teilnehmer in Bewegung bringen: Ein kurze Ein-"Führung“ entlang an mehreren Postern mit den wichtigsten Kursthemen.
- Den Kurs rasch mit einem kurzen Überblick starten. Dabei klar machen, wozu das jeweils gut ist.
Pseudo-Partizipation: Seminarregeln „vereinbaren“
Müssen im Trainingsraum schon zu Beginn Ge- und Verbote am Flipchart hängen? Braucht es: „Handys aus! Ausreden lassen! Fairness! Störungen haben Vorrang! Pünktlich kommen!“ Diese vorgegebenen Regeln unterstellen den Teilnehmern Gedankenlosigkeit und signalisieren die Angst der Trainer vor Kontrollverlust. Echte „Vereinbarungen“ sehen anders aus.
ALTERNATIVEN
- In die Runde fragen, was generell zu regeln ist, z.B. Zeiten für Telefonate oder ob die geplanten Endzeiten für alle möglich sind.
- Regelungsbedarf erst ansprechen, wenn sich etwas wirklich zur Störung entwickelt.
Ergänzung zum neuen "Mini-Handbuch Training und Seminar". Hermann WILL. BELTZ-Verlag 2016.
19,95 €.
Mail an den Autor: will@wup.info