Heilige Kühe? Trainersünden? (Teil 2)
Weitere Trainersünden: Das hat man schon immer so gemacht!
Hermann Will |
Foto: Franz WILL
Hier finden Sie Teil 2 der "Heiligen Kühe" im Training - tradierte Vorgehensweisen, die sich als Routinen verselbständigt haben. Manche dieser Trainersünden haben wir selbst schon begangen - ohne lang nachzudenken: Nachher ist man immer schlauer - vor allem bei anderen!
„Warum erst jetzt?“: Erwartungsabfragen
„Welche Erwartungen haben Sie an den Kurs?“ Kartenabfrage zu Kursbeginn produzieren vor allem Allgemeines (z.B. „Neues kennenlernen“). Die Zusatzfrage nach Befürchtungen macht es nur noch schlechter. Trainer werden ihren Kurs selten spontan umstellen. Am Kursende hakt man die abgearbeiteten Punkte ab oder lässt die Karten-Pinnwand verschwinden. Unerfüllt Erwartungen wecken Defizit-Gefühle – das ist kein guter Schlusspunkt!
ALTERNATIVEN
- Die geplante Themenliste (groß auf Pinnwand) als Überblick kommentieren. Frühestens nach der ersten Pause nach Wunsch-Vertiefungspunkten fragen.
- Eine klare Ausschreibung reduziert querliegende Erwartungen.
- Schon im Vorfeld Bedarf und Teilnehmerbedürfnisse erheben, durch Befragung des Auftraggebers und aller oder exemplarischer Teilnehmer.
- Schon vorab Spielraum fürs Nachjustieren auf spontan geäußerte Teilnehmerbedürfnisse einplanen.
„Jetzt ist es zu spät!“: Abschluss-Feedbackrunde
„Gut fand ich …, das hätte ich mir noch gewünscht ….“ als abschließendes Blitzlicht für Kurs und Trainer hat eher symbolischen Charakter. In der Schlussrunde wollen alle heim und kaum jemand hat Lust ein neues Fass aufzumachen. Inhaltlich erfahren Trainer da wenig Neues. Vor allem aber: Jetzt lässt sich nichts mehr ändern!
ALTERNATIVEN
- Schon zwischendurch oder zur Halbzeit nachfragen. Dann können Sie noch nachjustieren.
Der Praxistransfer wird erst später klar. Also zeitversetzt abfragen: Was blieb hängen? Was war nützlich? Was hat gefehlt? Was wurde umgesetzt?
„Nicht schon wieder!“: Kartenabfrage
Als Schulungsmethode war Kartenabfrage nie gedacht. In Workshops sammelte man z.B. „50 Möglichkeiten, neue Kunden zu gewinnen“ oder „Wofür ist derzeit bei Siemens die Zeit noch nicht reif?“. Bei der Erwartungsabfrage gibt es Kärtchen jedoch in Trainings noch immer – klein, stichwortartig, kaum lesbar. Aber eine magere Karten-Ausbeute macht schon rein optisch nichts her. Und schreibt man wichtige Inhalte auf popelig kleines Format?
ALTERNATIVEN
- Nur wirklich relevante und mobilisierende Fragestellungen wählen, an denen man dann weiterarbeitet.
- Größere Karten nehmen (DIN A 5 oder DINA4).
- Die Ideen für die Karten in Kleingruppen sammeln und schreiben. Das aktiviert und reduziert Verdoppelungen.
- Statt Kartensammeln per Zuruf Beiträge sammeln und die sichtbar auf Flipchart notieren
- Beim „Rosinenpicken“ wählt man die zentralen Herzblutthemen. Das emotionalisiert mehr als rein sachlogisches Clustern aller Karten und schneller geht es auch.
- Die Sammelmethode „Herbstlaub“ bringt körperliche Bewegung: Die Ideen gemeinsam im Kreis gehend sammeln (wie Brainstorming), Idee laut sagen, individuell notieren und für alle sichtbar auf den Boden legen. Wir haben das „Herbstlaub“ getauft.
Eine Ergänzung zum neuen "Mini-Handbuch Training und Seminar". Hermann WILL. BELTZ-Verlag 2016. 19,95 €.
Mail an den Autor: will@wup.info